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Wie KI die Google-Suche revolutioniert

Search Generative Experience im Fokus

Text Kai Bader

Wir alle kennen das Ritual: Wenn wir Informationen benötigen, öffnen wir Google, tippen ein paar Stichwörter in das Suchfeld ein und erhalten innerhalb von Sekunden eine Liste von Links, aus denen wir wählen können. Diese Art der Informationsbeschaffung könnte sich allerdings in den kommenden Monaten radikal transformieren – durch die Einführung der Search Generative Experience (SGE).

Search Generative Experience: Von Keywords zu Kontext So funktioniert die „neue Suche“ Vom Suchen zum Finden: Google bald interaktive Antwortmaschine? Die organische Suche – ein Auslaufmodell? Weniger Klicks für Top-Positionen Auf die SGE vorbereiten – Tipps für Marketingverantwortliche Strategien anpassen Ist meine Website bereit die Search Generative Experience? Die Zukunft von SGE: Wohin geht die Reise? Verschlechterungen für Website-Betreiber:innen? Zukunftssicheres Marketing in der Ära der KI-Suche: Mein vorläufiges Fazit

Search Generative Experience: Von Keywords zu Kontext

SGE ist nichts anderes als die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Google-Suche. Diese Erweiterung wurde erstmals im Mai 2023 auf der Entwicklerkonferenz Google I/O vorgestellt und ist derzeit als Beta-Version in 120 Ländern verfügbar – allerdings noch nicht in Europa (Stand: Februar 2024). Wir haben uns dieses jüngste Google-Experiment trotzdem via VPN angeschaut und zeigen Ihnen hier, was sich aller Voraussicht nach durch SGE verändern wird – und wie Sie sich am besten auf die „neue Suche“ vorbereiten.

So funktioniert die „neue Suche“

Eines gleich vorweg: SGE ist nicht mit Chatbots wie ChatGPT oder Google Bard vergleichbar. Sie ist auch nicht zum Chatten gedacht, sondern poppt automatisch bei der normalen Google-Suche auf. Und ihre Antworten orientieren sich mehr an Fakten, sind objektiver, neutraler und weniger „blumig“ formuliert. Das liegt auch daran, dass die KI der SGE absichtlich keine “Persönlichkeit” wie ChatGPT besitzt und nicht über sich selbst in der ersten Person spricht.

 

Bereits in den letzten Jahren wurden in die Google-Suche zusätzliche Elemente (Ergebnisse aus Google Maps, Kurzantworten, Bilder und Videos oder Shopping-Einträge) integriert. Durch die Integration der generativen KI wird sich die Benutzeroberfläche von Google noch einmal stark verändern und die sogenannten „ten blue links“ werden weiter nach unten wandern. Vor allem aber wird es Nutzern dadurch möglich sein, auch auf sehr lange und völlig neue Fragen sinnvolle Antworten zu bekommen.

Vom Suchen zum Finden: Google bald interaktive Antwortmaschine?

Nutzer mit umfangreicheren Fragen mussten sich bisher durch viele unterschiedliche Ergebnisse klicken, sie durchlesen, prüfen und kombinieren. Dieser zeitaufwändige Prozess wird sich dank der Search Generative Experience erheblich vereinfachen, denn die generative KI kann schnell relevante Informationen aus einer großen Anzahl von Quellen (Trainingsdaten) extrahieren und zu einer kohärenten Antwort zusammenzufassen.


Dabei greift sie auch auf User Generated Content wie Kundenrezensionen, Nachrichtenartikel, persönliche Blogs, Unternehmenseinträge oder Beiträge in sozialen Medien zurück und bietet dadurch interaktive, personalisierte und passgenaue Sucherlebnisse.


Bei einer Suchanfrage nach dem „besten Fahrrad für einen fünf Kilometer langen Arbeitsweg mit leichten Hügeln“ erhalten Suchende dann z. B. eine Empfehlung, auf welche Kriterien es besonders ankommt, Informationen über den Preis oder Kundenbewertungen, die genau auf Details wie Arbeitsweg oder die Eignung für leichte Hügel eingehen. 

Mit Hilfe eines Konversationsmodus‘ ist es darüber hinaus möglich, kontextbasierte Rückfragen zu stellen. So könnte man beispielsweise die vorgeschlagenen Fahrräder filtern, um nur noch grüne E-Bikes angezeigt zu bekommen. Die Nachfrage wird dann automatisch mit dem vorherigen Kontext in Verbindung gesetzt, weil die neue Google-Suche imstande ist, dynamische und interaktive Inhalte zu erzeugen und Suchergebnisse auf der Grundlage von Nutzerpräferenzen und -verhalten anzupassen.

Allerdings wird nicht für jede Suchanfrage ein KI-Ergebnis auslöst. Google übt besondere Vorsicht bei bestimmten Branchen aus. Themenbereiche wie Medizin oder Finanzen sind aufgrund ihrer Sensibilität und der potenziellen Konsequenzen fehlerhafter Informationen besonders heikel.


Daher kann Google entscheiden, generative KI-Antworten für diese Themen zu beschränken oder zusätzliche Überprüfungsmechanismen einzuführen, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der bereitgestellten Informationen zu gewährleisten. Google arbeitet beispielsweise bereits im Medizinbereich an entsprechenden Lösungen mit speziellen Sprachmodellen wie Med-PaLM 2.


SGE steckt jedoch noch in den Kinderschuhen und Verzerrungen oder Ungenauigkeiten sind generell Probleme von generativer KI. Nutzer sind daher gut beraten, KI-generierte Ergebnisse immer auf ihre Plausibilität zu prüfen – auch wenn Google mit Hochdruck an der Optimierung seiner Modelle arbeitet.

Die organische Suche – ein Auslaufmodell?

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob suchmaschinenoptimierte Websites in Zukunft noch eine Rolle spielen werden und ob das klassische Browsing durch Large Language Models (LLM) ersetzt wird. Die Antwort lautet: Im Moment eher nicht. Zukünftig werden Nutzer jedoch – denke ich – neue Suchverhalten annehmen und dafür auch LLMs nutzen.

 

SEO behält seine zentrale Rolle in der digitalen Marketingstrategie bei und Browsing spielt auch in Zukunft eine bedeutende Rolle in Recherche- und Kaufprozessen. Denn Nutzer bevorzugen es oft, unterschiedliche Angebote, Lösungen und Rezensionen zu vergleichen und sich eine fundierte Meinung zu bilden. 

Die Vielfalt der Perspektiven unterschiedlicher Autoren und Experten bleibt entscheidend, und hier bieten Suchmaschinen eine breitere und diversifizierte Informationsquelle im Vergleich zu Chatbots, die möglicherweise begrenzte oder vorgefertigte Antworten liefern.

Weniger Klicks für Top-Positionen

Trotzdem wird SGE auch negative Auswirkungen auf Unternehmen und ihre Websites haben. Die wahrscheinlich bedeutendste wird sein, dass Klicks und Traffic auf Websites zurückgehen, weil die organischen Ergebnisse durch die KI-Antworten nach unten verschoben und dadurch weniger sichtbar werden.

 

Vermutlich sind davon besonders Affiliate Websites, aber auch große Publisher betroffen. Auch die sogenannten Zero Click Searches werden zunehmen. Das bedeutet, dass Suchende auf der Ergebnisseite bleiben, weil diese bereits die Antwort enthält, und nicht mehr auf einen Link zu einer Website klicken.

 

Allerdings kann es sein, dass genau dieser Traffic, der durch SGE verlorengeht, nie wirklich wertvoll war. Solche Besucher stellen eher keine komplexeren Fragen, betreiben keine intensive Produktrecherche und haben wahrscheinlich auch (noch) kein wirkliches Kaufinteresse.

 

Es ist daher anzunehmen, dass vor allem der Traffic für „Know“- oder einfacher zu beantwortende „Know Simple“-Suchanfragen abnehmen wird. Das macht sich am Traffic, nicht jedoch am Umsatz bemerkbar, weshalb SEO auch nach der Einführung von KI in die Suche der umsatzstärkste Channel bleiben könnte.

Auf die SGE vorbereiten – Tipps für Marketingverantwortliche

Dennoch ist klar: Mit SGE kommen tiefgreifende Veränderungen auf Werbetreibende zu. Daher sollten sie darauf vorbereitet sein. Für eine realistische Einschätzung ist es nützlich, zunächst einmal zu prüfen, wie stark der Einfluss von SGE auf das eigene Business sein könnte, denn die neue Suche wird nicht für alle Branchen und Businessmodell gleich relevant sein.

 

Das geht am einfachsten, indem man die für das eigene Unternehmen wichtigsten Keywords googelt und sich anschaut, ob dafür eine KI-generierte Antwort angezeigt wird. Das ist aber natürlich erst möglich, wenn die SGE wirklich ausgerollt ist. Bis dahin bleibt nur, grob zwischen einfachen und komplexeren Suchanfragen zu unterscheiden. Erstere können KI-Antworten meist gut abbilden; je komplexer und einzigartiger das Thema wird, desto schwieriger geht das. Daher wird z. B. B2B tendenziell weniger stark von SGE betroffen sein. 

Strategien anpassen

Wer weiterhin auf veralteten Strategien verharrt, wird mit SEO nicht mehr erfolgreich sein, sobald die neue Suche etabliert ist. Wer sich dagegen schnell an die veränderten Regeln anpasst, wird auch nach der Einführung der Google Search Generative Experience weiterhin erfolgreich sein.

 

Daher braucht es bereits jetzt angemessene Strategien, die sich an den neuen Spielregeln orientieren und den Marken- und Autoritätsaufbau in der eigenen Nische unterstützen. Das bedeutet vor allem die kompromisslose Ausrichtung der Website an den Nutzerinteressen und die strategische Ausrichtung der folgenden Bereiche:

 

1. Autorität – Was hinter E-E-A-T steckt

 

Es wird zunehmend schwieriger, Google von der Vertrauenswürdigkeit von Website-Inhalten zu überzeugen. Daher braucht es Maßnahmen, um dieses Vertrauen zu steigern. Eine davon ist das Aufbauen von Autorität in der eigenen Nische. Denn etablierte Websites mit einer hohen Autorität für ein bestimmtes Thema werden in der SGE bevorzugt.

 

Eine starke Marke und eine kristallklare Positionierung für ein bestimmtes Thema werden in Zukunft also noch entscheidender sein. Investitionen in eine starke und vertrauenswürdige Marke sind daher ein Gebot der Stunde – auf der eigenen und auf fremden Websites, aber auch analog auf Events u. ä. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Experience, Expertise, Authority und Trustworthiness (E-E-A-T) durch die SGE weiter an Bedeutung gewinnen wird.

2. Content-Strategie: Die Kundenreise im Fokus

 

Die Content-Strategie wird mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt in der Suchmaschinenoptimierung. Mit klassischem Awareness-Content, der sich auf die Beantwortung einfacher Fragen oder Definitionen konzentriert, werden Unternehmen immer weniger Erfolg haben, weil dieser bereits jetzt sehr gut von KI erstellt werden kann.

 

Im Gegensatz dazu sollte jener Content, der in der Mitte und am Ende des Funnels angesiedelt ist, priorisiert werden. Dort verstecken sich die komplexeren Suchanfragen von Personen, die sich intensiv mit einem Thema auseinandersetzen, weil sie schon mitten im Kaufprozess stecken. Und diese User brauchen individuell zugeschnittenen Content, der von Experten erstellt wird.

3. Überlegenheit durch Content-Qualität 

 

Mittelmäßiger Content wird in Zeiten generativer KI problemlos und in endloser Skalierbarkeit erstellt. Wer mit SEO erfolgreich sein will, muss einzigartigen, hilfreichen Content bieten, den die generative KI nicht nachmachen kann. Das Schlüsselwort heißt Information Gain – Inhalte, die herausstechen, weil sie völlig neu und aus einem besonderen Blickwinkel geschrieben sind.

 

Mittelmäßigkeit zeigt sich auch immer wieder in der sogenannten Search Experience, also der gesamten Erfahrung, die ein Nutzer bei der Suche nach Informationen hat: Klassische Keyword-Optimierung ist schon seit Jahren nicht mehr ausreichend. Themen wie Search Experience Management (SXM) dagegen sind heute ein zentraler Baustein, um eine überlegene Content-Qualität sicherzustellen.

 

Hier spielt auch Thought Leadership Content mit einem Fokus auf strategischem Wert eine Rolle. Denn gerade bei neuen Themen, Perspektiven und Herangehensweisen ist KI nicht überzeugend. Je taktischer und wissensbasierter Inhalte jedoch werden, desto eher kann KI-generierter Content bereits heute mithalten.

4. Strukturierte Daten: mehr als Schema Markup

 

Nicht zu vergessen: Strukturierte Daten werden wichtiger für die SEO. Neben Schema Markup sind damit auch andere Möglichkeiten zur strukturierten Bereitstellung von Informationen für Suchmaschinen gemeint. Vor allem für den E-Commerce wird es wichtig sein, dass Google & Co. den Inhalt der eigenen Website möglichst schnell und eindeutig verstehen.

Ist meine Website bereit die Search Generative Experience?

Ob eine Website für all das gewappnet ist, können zwei einfache Fragen klären:


- Was würde übrigbleiben, wenn jeglicher Content, der so oder auch so ähnlich auch auf anderen Websites zu finden ist, entfernt würde?


- Und wäre das, was übrigbleibt, auch wert, gefunden zu werden?
Dieser Test hilft dabei, zwei wesentliche Aspekte zu bewerten: Einzigartigkeit und Wert.

 

In der Ära der SGE, wo kontextbezogene Antworten und tiefergehendes Verständnis eine größere Rolle spielen, wird einzigartiger und differenzierter Content entscheidend sein, um sich von der Masse abzuheben. Es reicht jedoch nicht aus, einfach nur anders zu sein; der Content muss auch wertvoll und nützlich für die Zielgruppe sein. Dies umfasst Faktoren wie Aktualität, Genauigkeit, Informationsgehalt und Benutzerengagement.

Die Zukunft von SGE: Wohin geht die Reise?

Die generative Sucherfahrung von Google ist noch im Versuchsstadium. Sie kann theoretisch übermorgen oder auch erst 2025 für alle Nutzer ausgerollt werden. Trotzdem sind ihr Umfang und ihre Auswirkungen schon jetzt weitreichend. Allerdings hat die Suche schon in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder dramatische Neuerungen ohne größere Erschütterungen überlebt – und wird mit ziemlicher Sicherheit auch in Zukunft ein sehr starker Kanal bleiben.

 

Bisher ist übrigens noch unklar, wie die bezahlte Suche mit SGE aussehen wird. Immerhin verdient Google sein Geld zu einem großen Anteil mit Suchmaschinenwerbung und wird diese in die SGE integrieren müssen. Konkrete Informationen dazu sind jedoch noch nicht bekannt.

Verschlechterungen für Website-Betreiber:innen?

Eine weitere Herausforderung stellt das Verhältnis zwischen Websitebetreibern und Google in einer KI-Welt dar. Bisher war der Deal klar: Google zeigt den Nutzern Websites an, die Inhalte bereitstellen. Das System funktioniert nur, wenn Google als Gatekeeper den Websites auch Traffic schenkt. Durch SGE kommt diese Win-win-Situation ins Ungleichgewicht.

 

Wenn Google weiterhin die Inhalte von Websites nutzt, aber immer häufiger eigene Antworten daraus generiert, kann es sein, dass Nutzer nicht mehr klicken. Wenn der Traffic zurückgeht oder ganz ausbleibt, haben Websitebetreibern keinen Vorteil mehr, wenn sie Inhalte für Google bereitstellen.

Zukunftssicheres Marketing in der Ära der KI-Suche: Mein vorläufiges Fazit

So wie ziemlich alle Bereiche unseres Lebens ändert sich auch die Suche gerade tiefgreifend durch KI. Deshalb müssen Marketingverantwortliche umdenken, sich anpassen und weiterentwickeln, um die neuen technologischen Anforderungen zu erfüllen.

 

Wer künftig erfolgreich SEO machen möchte, muss sich mittelfristig für das neue Suchverhalten der User öffnen und gleichzeitig den Blick weiten für andere Plattformen, die durch Large Language Models (LLMs) an Bedeutung gewinnen werden.

 

Darüber hinaus zeigt dieser massive Einschnitt einmal mehr, dass es nicht gut ist, von einem einzigen Anbieter abhängig zu sein. Unternehmen tun gut daran, parallel alternative Kanäle aufzubauen, die sie selbst in der Hand haben: beispielsweise eine E-Mail-Liste aufzubauen oder nach Möglichkeiten zu suchen, wie sie den direkten Traffic auf ihre Website steigern können – etwa durch Markenaufbau.

 

Auch wenn die Suche und Google nach wie vor ihre Berechtigung haben wird und ein gewinnbringender Kanal bleiben wird, ist Diversifizierung immer eine kluge Idee.

Sind Sie bereit für die Zukunft der Web-Suche?

Mario Eckmaier, Partner

 

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